Der Körper der „über-40ern“ lässt grüssen.
Der Sommer bringt es ans Ü40-Licht: „Speckröllchen an Bauch und Hüfte“! Noch vor ein paar Jahren konnte man die Verteilung der Pfunde in Schach halten, indem man möglichst auf Kalorienbomben verzichtete und ausreichend Bewegung hatte. Doch nun offenbart der „Best Age“-Blick in den Spiegel die schonungslose Wahrheit: es gibt körperlichen Widerstand!
Ein Interview mit der Ärztin und Wissenschaftlerin Dr. med. Ute Martens:
Warum haben Männer so wenig Probleme mit ihren vorne oder seitlich sitzenden Rollen, während Frauen beim kleinsten Röllchen kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehen?
Der Arzt und Kabarettist Dr. med. Eckart von Hirschhausen gibt Frauen gute Vorschläge – „kein Mann käme auf die idiotische Idee, sich von der Seite im Ganzkörperspiegel zu betrachten“ – und stellt dem deutschen „Rettungsring“ die poetischen Bezeichnungen anderer Sprachen gegenüber. Wie „love handles“, „Muffin Tops“ auf Englisch oder „poignées d’amour“ auf Französisch. Auch wenn wohl den meisten Menschen der englische Ausdruck „love handles“ gefällt – die Speckröllchen selbst tun es meistens nicht! Erstaunlicherweise scheinen die kleinen Wölbungen niemanden zu stören, außer ihre Trägerinnen. Wo also liegt das Problem? An der inneren Einstellung? Oder an der Herkunft?
Frau Dr. med. Ute Martens hat viele Jahre an den Universitätskliniken Heidelberg und Tübingen geforscht. Sie betreut zahlreiche Menschen mit Körperschemastörungen.
Frau Dr. Martens, warum tun sich vor allem Frauen mit den Veränderungen des eigenen Körpers schwer?
Zum einen sind es genetische Faktoren, zum anderen ethnologische, also herkunftsbezogene, Einflüsse, innerhalb der jeweiligen Zivilisation. Hierzulande wird in Gesellschaft und Medien seit den siebziger Jahren ein Schlankheitsideal propagiert. Deswegen sind die Frauen hier immer kritisch mit ihrem Äußeren beschäftigt. Das eigene Aussehen ist demnach wichtig, um für den eigenen Mann attraktiv zu sein. Den Mann langfristig an sich binden zu können sicherte den Frauen in der Steinzeit das Überleben. Heute wirken diese Kräfte bei ihnen immer noch, obwohl ihr Leben nicht mehr von der Versorgung durch den Mann abhängig ist.
Dieser Mechanismus arbeitet also weiter, durch alle Kulturen. Nur, das Ideal kann in unterschiedlichen Kulturen eben verschieden sein. So gilt z.B. in Polynesien eine Frau nur dann wirklich schön, wenn sie rund und übergewichtig ist. Und Steinzeitmänner hatten wohl auch bessere Chancen beim anderen Geschlecht, wenn sie mit Muskeln bepackt waren, statt mit einem Bauch.
Warum sind Frauen im Gegensatz zu Männern heute so viel selbstkritischer?
Soweit ich weiß, ist dies nicht bewiesen. Aber Frauen thematisieren ihre eigenen scheinbaren Defizite, während Männer lieber nicht darüber sprechen. Es hat wohl mehr mit dem Kommunikationsstil zu tun, ob man über „Problemzonen“ spricht.
Womit sich die Frage stellt: warum sind es für uns überhaupt „Problemzonen“ und nicht einfach „etwas üppigere Körperregionen“?
Ich denke, dass liegt an den Ansprüchen an sich selbst. Wenn wir streng zu uns sind, perfektionistisch und wenig wohlwollend, kritisieren wir uns auch schneller. Dabei ist dieses „Idealbild“ von Medien und Gesellschaft vorgegeben. Wer sich hingegen selbst zugesteht, dass das eigene ICH, die Person mitsamt Körper, weder ‚perfekt’ sein muss noch kann, geht mit sich selbst viel freundlicher und milder um. So behandeln wir auch unsere Freunde – zu denen sind wir meistens nicht so streng wie zu uns selbst. Da finden wir Speckrollen ja in der Regel überhaupt nicht störend.
Gibt es einen altersbedingten Unterschied in der Körperwahrnehmung?
Ja, sicher. Schon deshalb, weil im Alter natürlich Schmerzen und Beschwerden zunehmen. Das sind ja ganz reale Veränderungen, mit denen ein Mensch dann fertig werden muss. Auch die Abnahme der Vitalität und der körperlichen Leistungsfähigkeit müssen in die Persönlichkeit integriert werden. So wie man Jahre vorher die Zunahme von Speckröllchen und die Abnahme der jugendlichen Straffheit akzeptierte. Aber ältere Menschen legen häufig etwas mehr Gelassenheit an den Tag.
Ein Hinweis übrigens an die Personen, die an keinem Spiegel vorbeigehen können, ohne hineinzuschauen: Spiegelbilder sind Verzerrungen und bilden nicht die Realität ab! Das heißt, wir sehen immer gedrungener aus, als wir es in Wirklichkeit sind. Außerdem fokussieren wir beim Blick in den Spiegel automatisch auf unsere „Problemzonen“, die sich allein dadurch noch mehr „verschlimmern“.
Auch wenn Schönheit im Auge des Betrachters liegt: Was raten Sie abspeckwilligen Ü-40ern?
Ich halte die sogenannte 16/8 Diät für eine gute, schnell wirksame Methode, bei der man nicht auf geliebte Nahrungsmittel verzichten muss, sondern den täglichen Rhythmus der Kalorienzufuhr ändert. 16 Stunden, zum Beispiel von abends 20 Uhr bis 12 Uhr am nächsten Tag, trinkt man nur Wasser oder ungesüßten Tee und danach isst man in den verbleibenden 8 Stunden, was man will.
(Hrsg. aus einem Artikel von Heike Bludau)
Michel Robeers